Strand von Malaysia
Titel: Strand von Malaysia
Autor*innen: Michelle Semder
Länge: 5:18min
Rahmen: Digital Lounge
Gäste: Henning Wilts
Auszug aus dem Projekt der Süddeutschen Zeitung – Deutscher Plastikmüll verschmutzt Malaysia:
In Jenjarom, einem Distrikt westlich der Metropole Kuala Lumpur, haben sich verärgerte Bürger organisiert, sie treffen sich am Morgen unter dem Wellblechdach einer Garküche, sie frühstücken Eintopf mit Schweinefleisch und trinken Tee aus Orangenschalen. Dann erzählen sie, wie vor etwa einem Jahr alles hier draußen angefangen hat. Trucks karrten damals Müll heran, immer neue Fuhren, die unter großen, schnell errichteten Wellblechdächern gebunkert wurden. Bald schon hing Gestank in der Luft, Rauch, wie er beim Einschmelzen von Plastik oder auch bei Bränden offener Müllhalden entsteht. Was nicht mehr zu verwerten war, wurde angezündet, meistens in der Nacht.
“Wir glauben nicht, dass das ein Unfall war”, sagt Pua. Sie vermuten, dass Spuren beseitigt werden sollten. Spuren der illegalen Müllverarbeitung. Von den Arbeitern, die hier im vergangenen Jahr mit dem Zerkleinern von Plastik beschäftigt waren, fehle jede Spur. “Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass die Leute aus China kamen, jetzt sind sie alle fort.”
Tatsächlich haben Chinas Müll-Verarbeiter seit dem Importstopp ihrer Regierung ein Problem. Peking hat ihnen ihr profitables Geschäft weggenommen und viele Firmen wollen nicht zusehen, wie nun andere Gewinn mit dem Abfall machen. Viele Länder buhlen um den Müll, vor allem Thailand, Vietnam und Malaysia. Denn was deutsche Konsumenten schlicht für Plastikmüll halten, ist längst zum global gehandelten Wirtschaftsgut geworden.
Die Krise um den importierten Müll ist umso brisanter, als gerade die Länder Südostasiens kaum mit ihrem eigenen Abfall klar kommen. Jedes Jahr landen dort hunderttausende Tonnen Müll im Ozean, zusätzliche Abfallberge aus dem Ausland, die nicht richtig recycelt werden, dürften die Lage noch verschärfen.
Die Deutschen rühmen sich schon lange damit, Recycling-Weltmeister zu sein: 46,7 Prozent aller Kunststoffabfälle wurden 2017 laut Umweltbundesamt hierzulande recycelt, die Weltbank titelt: Rekord. Doch die Quote sagt wenig aus. Denn die Unternehmen müssen lediglich nachweisen, dass der Abfall ordnungsgemäß verwertet wurde, nicht aber wo. Sie selbst recyceln nur relativ reinen Plastikmüll, etwa aus dem gelben Sack. Probleme machen hingegen Kunststoffabfälle aus dem Gewerbe oder dem Haushaltsmüll. Die werden in riesigen Ballen ins Ausland verschifft – und dürfen trotzdem in die Quote mit eingerechnet werden.